Zu einem Treffen von Neusprechern luden am 4. Januar 2024 ins WITAJ-Sprachzentrum Dr. Beate Brězan und Julian Nyča als Leiter des Sprachmanagements im Projekt ZARI ein, dessen Träger die Domowina ist.

In unterhaltsamer Atmosphäre sollte unter den 15 Beteiligten die Frage reflektiert werden, welchen Einfluss Emotionen in partnerschaftlichen und familiären Beziehungen auf die Anwendung des Sorbischen oder Deutschen haben und welche Veränderungen im Laufe der Zeit dabei auftreten können. Dass diese beiden Fragen in einem umfangreichen Kontext stehen, erklärte Beate Brězan anhand einer zunehmenden Anzahl internationaler Paarbeziehungen, die sich oftmals sogar auf Englisch stützen müssen, weil weder der eine noch der andere die Muttersprache des geliebten Menschen spricht oder sie gar nicht versteht. So sprechen beide eine Fremdsprache und der Erwerb der Partnersprache ist ein herausfordernder Prozess der Einigung auf die eine oder andere Muttersprache oder sogar beide Muttersprachen der Partner.

Wenn über Neusprecher gesprochen wird, denken wir meist an sogenannte Witaj-Kinder. Berufliche, familiäre, partnerschaftliche und freundschaftliche Kontakte waren jedoch schon immer für so manchen ein Grund, Sorbisch zu lernen. Julian Nyča betonte, dass sich das Projekt ZARI an die Gegenden richtet, wo es heute nur wenige muttersprachliche Sorben gibt. Deswegen könnten besonders die Erfahrungen der Neusprecher nützlich sein.

Deshalb waren gerade diejenigen eingeladen, die sich Sorbisch erst als Erwachsene angeeignet haben und die dabei sehr konsequent waren – unter ihnen Rolf Rehor aus Sollschwitz/Wittichenau, Christine Schäfer aus Rosenthal, Hans-Eberhard Kaulfürst, Friedemann Böhme und Prof. Dietrich Scholze aus Bautzen und Bernd Melcher aus Burg/Spreewald. Ihre individuellen Sprachbiografien, die sie sich gegenseitig darstellten, zeigten interessante Details des autodidaktischen und institutionellen Lernens und unterschiedliche Erfahrungen in Partnerschaft und Familie, natürlich auch mit Konflikten verbunden. So berichtete Christine Schäfer, dass sie mit ihrem ersten Kind noch deutsch gesprochen hatte, ihr drittes Kind aber schon nicht mehr wusste, dass die Mutter deutschsprachiger Herkunft ist.

Insgesamt zeigte sich, dass Kinder Ursache und hilfreiche Unterstützung sind, Hindernisse zu überwinden und Sorbisch im Alltag anzuwenden. Als besonders starken Faktor überhaupt und beim Überwinden von Hemmungen betrachten die Teilnehmer ihren eigenen festen Willen und entsprechendes Selbstbewusstsein. Auch die Ermutigung zum sorbisch Sprechen und sympathische Reaktionen sowie das Erleben sprachlicher Fortschritte motivieren.

Paare, die sich auf deutschsprachiger Basis kennengelernt haben, haben manchmal emotionale Barrieren, in der gegenseitigen Kommunikation ins Sorbische überzugehen, denn es ist schwierig, den gemeinsamen Alltag stets mit Belehrungen zu verbinden. Dabei können jedoch Dritte eine Brücke bilden, die sich wie (private) Lehrer auf die Vermittlung der Grammatik und natürlicher sorbischer Redewendungen konzentrieren.

Vor Beginn der Unterhaltung würdigten die Teilnehmer den anwesenden Jan Bart. Für sein unermüdliches Werben für das Witaj-Projekt wird ihm am 24. Januar 2024 in Dresden der Bundesverdienstorden verliehen. Im Laufe der Jahre hat Jan Bart viele Zeitungsdokumente über das Witaj-Projekt gesammelt und geordnet. Die umfangreiche Sammlung übergab er vor einem halben Jahr dem WITAJ-Sprachzentrum. Dafür dankte ihm Dr. Beate Brězan auf der Veranstaltung noch einmal herzlich. Alle sind sich einig, dass für den Erhalt und die Revitalisierung in der Nieder- und Oberlausitz die Witaj-Kindertagesstätten und Witaj-Gruppe weiterhin eine wichtige Säule sind, wenn die immersive Vermittlung des Sorbischen konsequent praktiziert wird. Die Praxis in der Bretagne hat den Vorteil, dass Kindergärten und Grundschulen als immersive Sprachräume institutionell verbunden sind. Stattdessen haben wir im sorbischen Bildungssystem einen Bruch von der immersiven sorbischsprachigen zur zweisprachigen Erziehung an der Schule. Weil eine Änderung dieser Umstände nicht absehbar ist, scheint es besonders wichtig zu sein, dass sich das Netz von Sprachräumen und die Kontakte zwischen sorbischen Sprechern und Lernenden verdichten, wie es die Absicht des ZARI-Projekts ist.